Etwa 60 Kilometer entfernt von Bratislava leben in der größten slowakischen Sammelunterkunft in Gabčíkovo knapp 1.000 Ukrainer*innen. Eine Reportage von UNICEF beschreibt ihren Alltag zwischen Integration und der Hoffnung auf baldige Rückkehr.
In einem Operational Update des UNHCR wird darüber berichtet, dass in Polen aktuell 963,493 ukrainische Kriegsflüchtlinge im Besitz einer gültigen PESEL-Nummer sind (Stichtag: 10 Januar 2023). Insgesamt wurden seit Kriegsbeginn etwa 1,5 Millionen PESEL-Nummern für ukrainische Geflüchtete aktiviert. Dies bedeutet, dass etwa ein Drittel der Ukrainer*innen, die nach Polen geflüchtet sind, dass Land zwischenzeitlich wieder verlassen haben.
In Polen müssen ukrainische Geflüchtete (zumindest bisher) keinen formellen Antrag stellen, um eine Aufenthaltserlaubnis gemäß der „Massenzustrom-Richtlinie“ zu erhalten. Allerdings ist die Beantragung einer PESEL-Nummer – eine persönliche Identifikationsnummer, die auch an polnische Staatsangehörige vergeben wird – obligatorisch, um die mit der Aufenthaltsgewährung einhergehenden Rechte in Anspruch nehmen zu können. Ausführliche Informationen dazu finden sich in dem Länderbericht zu Polen.
Die oben beschriebene Diskrepanz zwischen den erteilten PESEL-Nummern und den tatsächlich aktiven PESEL-Nummern erklärt sich dadurch, dass die PESEL-Nummer im Falle einer Ausreise, die länger als 30 Tage andauert, automatisch deaktiviert wird.
Diesbezüglich dürfte vor allem die (dauerhafte) Rückkehr in die Ukraine eine Rolle spielen, da der polnische Grenzschutz die Aus- und Einreisedaten an die für die PESEL-Nummer zuständige Behörde weiterleitet. Hinzu kommen jene Fälle, in denen die Betroffenen einen weiteren Antrag auf temporären Schutz in einem anderen EU-Staat gestellt haben. Über die Europäische Registrierungsplattform werden die entsprechenden Daten mittlerweile europaweit zwischen den Staaten ausgetauscht.
Bisher werden die etwa 100.000 ukrainischen Kriegsflüchtlinge, die sich in der Republik Moldau aufhalten, dort lediglich „geduldet“. Da das Land kein EU-Mitglied ist, gilt die „Massenzustromrichtlinie“ dort nicht.
In der Praxis bedeutet dies bisher, dass sich ukrainische Staatsangehörige zwar solange in Moldau aufhalten dürften, wie der landesweite Notstand gilt, der bisher etwa alle drei Monate verlängert wurde. Auch können sie weitreichende Rechte (wie etwa Zugang zum Arbeitsmarkt und zu grundlegender Gesundheitsversorgung) in Anspruch nehmen, allerdings dürfen ukrainische Kinder moldauische Schulen bisher nur als Gastschüler*in besuchen.
Laut einer vom UNHCR veröffentlichten Pressemitteilung hat die moldauische Regierung vor Kurzem beschlossen, einen temporären Schutzstatus analog zu jenem der „Massenzustromrichtlinie“ einzuführen und den aufenthaltsrechtlichen Schwebezustand damit zu beenden.
Es wird damit gerechnet, dass die neue Regelung zum 1. März 2023 in Kraft tritt. Sobald nähere Informationen darüber vorliegen, welche Voraussetzungen im Rahmen einer Antragstellung zu erfüllen sind und wie das Antragsverfahren abläuft, wird auf diesem Blog darüber berichtet.
Gesetzesverschärfungen in Polen
Am 25. Januar 2023 unterzeichnete der polnische Präsident Andrzej Duda ein Gesetz, das weitreichende Verschärfungen hinsichtlich der Aufenthaltsgewährung und Unterstützung ukrainischer Kriegsflüchtlinge in Polen vorsieht. Zur Situation ukrainischer Geflüchteter in Polen wurde unlängst ein ausführlicher Bericht auf der Webseite von Pro Asyl veröffentlicht.
Neben weiteren Änderungen gilt in Polen nunmehr Folgendes:
- Die Beantragung einer sogenannten „Pesel-Nummer“ (eine persönliche Identifikationsnummer, die auch an polnische Staatsangehörige vergeben wird) innerhalb von 30 Tagen nach der Ankunft in Polen ist nunmehr zwingend vorgeschrieben.
- Kostenfreie Unterkunft und Verpflegung wird nur noch für einen maximalen Zeitraum von 120 Tagen, beginnend mit dem Tag der Einreise nach Polen, gewährt. Danach müssen 50 Prozent der Kosten von den Geflüchteten selbst getragen werden, jedoch nicht mehr als 40 Złoty pro Tag und Person. Ab einem Zeitraum von 180 Tagen sind 75 Prozent der Kosten selbst zu tragen, jedoch nicht mehr als 60 Złoty pro Tag und Person. Ausnahmen davon gelten nur für besonders schutzbedürftige Personen, wie etwa Menschen mit Behinderung oder alte Menschen.
- Abschaffung der Sonderregelung, die es ukrainischen Kriegsflüchtlingen ermöglichte, ohne die Erfüllung ansonsten geltender Anforderungen des polnischen Aufenthaltsrechts eine dreijährige Aufenthaltserlaubnis in Polen zu beantragen.
In dem jüngst erschienen Länderbericht zu Polen wurde auch auf den kostenfreien Zug eingegangen, der seit Kriegsausbruch ukrainische Kriegsflüchtlinge von der ukrainisch-polnischen Grenze über Frankfurt an der Oder nach Hannover bringt. Wie Euronews berichtet, wird dieser Zug möglicherweise bald eingestellt.
Der „Europäische Flüchtlingsrat“ (ECRE) hat eine Analyse zur Rückkehr von ukrainischen Kriegsflüchtlingen in die Ukraine veröffentlicht. In diesem Zusammenhang muss zunächst zwischen einer dauerhaften Rückkehr und einer befristeten Rückkehr (etwa um Dokumente zu verlängern) unterschieden werden.
Dabei kann eine dauerhafte Rückkehr in die Ukraine zwar zum Entzug des temporären Schutzes führen, dies schließt eine erneute Wiedereinreise und Beantragung einer Aufenthaltserlaubnis gemäß der Richtlinie zum vorübergehenden Schutz in der Regel jedoch nicht aus.
Uneinheitlich ist in den EU-Staaten geregelt, für welchen konkreten Zeitraum eine kurzzeitige Rückkehr in die Ukraine möglich ist und ob dies den zuständigen Behörden in Vorfeld mitgeteilt werden muss. So ist etwa in Belgien eine Rückkehr von bis zu drei Monaten zulässig, wohingegen in Polen bereits eine mehr als einen Monat andauernde Reise in die Ukraine zum Entzug des Schutzstatus führt.
In einem detaillieren Beitrag thematisiert der Spiegel, wie die zahlreichen Geflüchteten aus Russland, der Ukraine und Belarus zunehmend prägend für die polnische Hauptstadt sind. Ursprünglich erschien der Artikel hinter einer Paywall, ist in einer englischen Version jedoch frei verfügbar.
Auf der Webseite von Pro Asyl findet sich ein ausführlicher Artikel von Pro Asyl und bordermonitoring.eu zur Situation von ukrainischen Geflüchteten in Polen.
Podcast zu Ukrainer*innen in Polen
In der ARD-Audiothek ist in der Reihe „Gesichter Europas“ ein interessanter Beitrag zur Situation von ukrainischen Geflüchteten in Polen erschienen.
Mit seiner Hilfsbereitschaft hat Polen viele überrascht. Kein anderes EU-Land hat so viele ukrainische Geflüchtete aufgenommen. Noch hält der gesellschaftliche Kitt, aber auch die Erschöpfung ist spürbar. Die Geflüchteten plagt das Heimweh
Aus der Beschreibung des Podcast
Laut einer aktuellen Meldung von Eurostat haben im Oktober 2022 knapp über 50.000 Geflüchtete aus der Ukraine in Polen temporären Schutz gemäß der Massenzustromrichtlinie erhalten. In Deutschland waren es knapp über 35.000. In fast allen EU-Staaten (mit Ausnahme von Bulgarien, Irland, Polen und Ungarn) wurden im Oktober weniger Aufenthaltstitel gemäß der Massenzustromrichtlinie erteilt, als dies im September der Fall war.
Die von Eurostat verbreiteten Daten sind auch deswegen höchst interessant, weil es sich hierbei um Querschnittsdaten handelt, die weitaus aussagekräftiger sind als die kumulativen Daten, die etwa vom UNHCR publiziert werden. Denn in Letzteren wird nicht berücksichtigt, dass viele Aufenthaltsstiel zwischenzeitlich ungültig geworden sind.
Zur Rücknahme des Aufenthaltstitels gemäß Massenzustromrichtlinie kommt es insbesondere dann, wenn die Schutzberechtigten dauerhaft in die Ukraine zurückkehren oder in einem anderen EU-Staat erneut um Schutz ersuchen.
Laut der „bereinigten Statistik“ von Eurostat gab es zum Stichtag 31. Oktober 2022 1.01 Millionen „aktive“ Aufenthaltstitel in Polen, in Deutschland waren es etwa 847.000.