Auf der Webseite von Pro Asyl findet sich ein ausführlicher Artikel von Pro Asyl und bordermonitoring.eu zur Situation von ukrainischen Geflüchteten in Polen.
Podcast zu Ukrainer*innen in Polen
In der ARD-Audiothek ist in der Reihe „Gesichter Europas“ ein interessanter Beitrag zur Situation von ukrainischen Geflüchteten in Polen erschienen.
Mit seiner Hilfsbereitschaft hat Polen viele überrascht. Kein anderes EU-Land hat so viele ukrainische Geflüchtete aufgenommen. Noch hält der gesellschaftliche Kitt, aber auch die Erschöpfung ist spürbar. Die Geflüchteten plagt das Heimweh
Aus der Beschreibung des Podcast
Laut einer aktuellen Meldung von Eurostat haben im Oktober 2022 knapp über 50.000 Geflüchtete aus der Ukraine in Polen temporären Schutz gemäß der Massenzustromrichtlinie erhalten. In Deutschland waren es knapp über 35.000. In fast allen EU-Staaten (mit Ausnahme von Bulgarien, Irland, Polen und Ungarn) wurden im Oktober weniger Aufenthaltstitel gemäß der Massenzustromrichtlinie erteilt, als dies im September der Fall war.
Die von Eurostat verbreiteten Daten sind auch deswegen höchst interessant, weil es sich hierbei um Querschnittsdaten handelt, die weitaus aussagekräftiger sind als die kumulativen Daten, die etwa vom UNHCR publiziert werden. Denn in Letzteren wird nicht berücksichtigt, dass viele Aufenthaltsstiel zwischenzeitlich ungültig geworden sind.
Zur Rücknahme des Aufenthaltstitels gemäß Massenzustromrichtlinie kommt es insbesondere dann, wenn die Schutzberechtigten dauerhaft in die Ukraine zurückkehren oder in einem anderen EU-Staat erneut um Schutz ersuchen.
Laut der „bereinigten Statistik“ von Eurostat gab es zum Stichtag 31. Oktober 2022 1.01 Millionen „aktive“ Aufenthaltstitel in Polen, in Deutschland waren es etwa 847.000.
Der Chef des größten privaten ukrainischen Energieunternehmens hat die Bewohner*innen der Ukraine laut einem Beitrag der BBC dazu aufgerufen, in Erwägung ziehen, das Land zu verlassen, um das Stromnetz des Landes zu entlasten. Wörtlich sagte er:
Wenn sie einen anderen Ort finden können, an dem sie für drei oder vier Monate bleiben können, wäre das sehr hilfreich für das System.
Ähnlich äußerte sich vor Kurzem bereits die ukrainische Vizeregierungschefin Iryna Wereschtschuk. Auch der UNHCR geht von einem Anstieg der Fluchtbewegungen im kommenden Winter aus.
Sollte Russland seine Angriffe auf die ukrainische Infrastruktur weiter fortsetzen, ist damit zu rechnen, dass die Anzahl der Geflüchteten aus der Ukraine insbesondere in den Anrainerstaaten noch einmal massiv ansteigen wird.
Aufgrund der Kriegsschäden an Strom- und Wärmeversorgung der Ukraine bittet die Regierung geflüchtete Frauen und Männer, erst im nächsten Frühjahr heimzukehren. Vizeregierungschefin Iryna Wereschtschuk teilte am Dienstag in Kiew im landesweiten Fernsehen mit: „Wenn sich die Möglichkeit bietet, bleiben Sie und verbringen Sie den Winter im Ausland!“
t-online.de
Laut einem Bericht von EURACTIV plant die polnische Regierung, die Unterstützung für ukrainische Geflüchtete zu reduzieren. Anscheinend wird überlegt, den Zugang zu Sozialleistungen und hier insbesondere zu dem im Vergleich relativ hohen Erziehungsgeld „500+“ (welches die einkommensunabhängige monatliche Auszahlung von 105 Euro pro Kind vorsieht) zu beschränken. Zudem wird diskutiert, dass diejenigen Geflüchteten, die in Sammelunterkünften leben (momentan etwa 80.000) nach vier Monaten die Hälfte der Unterbringungskosten tragen müssen.
Im Oktober 2022 hat die US-amerikanische NGO „Refugees International“ nach Besuchen in Rumänien und Moldau einen ausführlichen Bericht zur Situation ukrainischer Geflüchteter in den beiden Ländern veröffentlicht. Viele der Erkenntnisse des Berichts finden sich bereits in den Länderberichten zu Rumänien und Moldau, die im Zuge unseres Projektes auf der Webseite von Pro Asyl veröffentlicht wurden.
Der Bericht von „Refugees International“ stellt u.a. fest:
- Ende September 2022 haben sich in Rumänien etwa 80.000, in Moldau etwa 90.000 Geflüchtete aus der Ukraine aufgehalten.
- Anfänglich hatten ukrainische Geflüchtete in Rumänien in der Praxis durchaus Probleme, sich für den temporären Schutz zu registrieren. Mittlerweile ist dies in aller Regel jedoch problemlos möglich.
- In Moldau, das nicht Teil der EU ist, wurde nach wie vor kein dem „temporären Schutz“ in der EU vergleichbarer Aufenthaltstitel für Geflüchtete aus der Ukraine eingeführt. Stattdessen wird der Aufenthalt ukrainischer Geflüchteter in Moldau weiterhin lediglich solange „geduldet“, wie der Ausnahmezustand im Land gilt. Dabei ist allerdings anzumerken, dass dies mit weiterreichenden Rechten wie Arbeitsmarktzugang, zumindest beschränktem Zugang zu Gesundheitsversorgung und auch Unterbringung einhergeht.
- In beiden Staaten existiert nach wie vor ein „Cash-Program“ des UNHCR, das Geflüchtete aus der Ukraine direkt unterstützt: In Moldau können Geflüchtete einen monatlichen Zuschuss in Höhe von 120 Euro pro Person beantragen. Bis Anfang Juli 2022 haben hiervon insgesamt etwa 65.000 Menschen profitiert. In Rumänien, wo die selbe Summe ausgezahlt wurde (allerdings auf drei Monate begrenzt) haben bisher knapp 20.000 Menschen Zuschüsse erhalten. Mittlerweile haben dort jedoch nur noch besonders schutzbedürftige Personen Zugang zu Barleistungen.
- In beiden Ländern lebt die überwiegende Mehrheit in privaten Unterkünften, also entweder bei Gastfamilien, Freunden beziehungsweise Familienangehörigen oder in selbst angemietetem Wohnraum. Hierfür können die Gastgeber*innen in Moldau einen Zuschuss in Höhe von bis zu 250 Euro monatlich beantragen (abhängig von der Anzahl der untergebrachten Personen). In Rumänien werden zehn Euro pro Tag und Person für die Unterkunft ausgezahlt, zuzüglich vier Euro pro Tag und Person für Verpflegung. In staatlichen Sammelunterkünften leben in Moldau gerade einmal vier Prozent der sich im Land aufhaltenden Geflüchteten aus der Ukraine, in Rumänien sind es 13 Prozent.
- Trotz der Möglichkeit des Zugangs zum Arbeitsmarkt gehen in beiden Ländern bisher nur sehr wenige ukrainische Geflüchtete einer Beschäftigung nach: In Moldau waren dies Mitte Juni 20220gerade einmal 560 Personen. Als Gründe hierfür sind insbesondere die Sprachbarriere, mangelnde Kinderbetreuung und Unklarheit hinsichtlich der Dauer des Aufenthalts zu nennen.
- Unter den insgesamt etwa 175.000 Ukrainer*innen, die gegenwärtig in Moldau und Rumänien leben, sind etwa 84.000 Minderjährige. Von diesen besuchen bisher nur sehr wenige eine örtliche Schule: In Rumänien waren dies Mitte September 2022 etwa 4.000, in Moldau gerade einmal 1.000 Kinder. Dies mag zu einem daran liegen, dass viele weiterhin den im Zuge der Covid-Pandemie eingeführten Online-Unterricht aus der Ukraine besuchen (worum die ukrainische Regierung explizit gebeten hat). Zum anderen spielt die Sprachbarriere sicherlich eine Rolle, wobei anzumerken ist, dass in Moldau in rechtlicher Hinsicht zudem die Stellung eines Asylantrages Voraussetzung für einen Schulbesuch ist.
- In beiden Ländern haben Geflüchtete aus der Ukraine nur zu dringend notwendiger medizinischer Behandlung Zugang.
- In beiden Länder kritisieren lokale NGOs den intransparenten Umgang mit Fördermitteln der EU und der großen internationalen Organisationen.
Fast-Care-Verordnung endgültig verabschiedet
Nachdem das Europäische Parlament am 4. Oktober 2022 mit großer Mehrheit dem Vorschlag der Europäischen Kommission und des Rates der Europäischen Union zugestimmt hatte, wurde die Fast-Care-Verordnung nun endgültig verabschiedet. Nach der Care-Verordnung und der Care+-Verordnung handelt es sich bei der Fast-Care-Verordnung um die insgesamt dritte Verordnung, mit der die Europäische Union die Mitgliedstaaten bei der Aufnahme von Geflüchteten aus der Ukraine finanziell unterstützen möchte.
Zu den Details der vorgesehen Unterstützungsmaßnahmen hat der Europäische Flüchtlingsrat gemeinsam mit PICUM vor Kurzem eine lesenswerte Analyse veröffentlicht. Festgehalten werden kann an dieser Stelle, dass die Europäische Kommission davon ausgeht, dass insgesamt 17 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt werden können. Dabei ist allerdings unklar, ob dies auch tatsächlich der Fall sein wird. Seine Ursache hat dies nicht zu letzt darin, dass keine zusätzlichen Mittel zur Verfügung gestellt werden, sondern in verschiedenen EU-Förderprogrammen bereits zur Verfügung gestellte (und oft nicht abgerufene) Gelder umgewidmet und leichter zugänglich gemacht werden.
Konkret werden/wird durch die Fast-Care-Verordnung
- weitere 3,5 Milliarden Euro an Vorfinanzierung für zwischen 2021 und 2027 laufende Projekt bereitgestellt;
- die Möglichkeit einer Vollfinanzierung für Investitionen zur Förderung der sozioökonomischen Integration von Drittstaatsangehörigen eingeführt;
- die Möglichkeiten zur Übertagung von Mitteln ausgeweitet;
- die rückwirkende Bezuschussung bereits abgeschlossener Projekte ermöglicht;
- die verpflichtende Verwendung von 30 Prozent der Mittel zur Unterstützung der Zivilgesellschaft beziehungsweise der Gemeinden eingeführt.
Bisher kaum beachtet und in seinen Konsequenzen noch nicht absehbar ist, dass die Fast-Care-Verordnung zudem vorsieht, dass die abrechnungsfähigen Einheitskosten noch einmal deutlich erhöht werden. In Artikel 68c der Verordnung Nr. 1303/2013 heißt es nunmehr:
Für die Durchführung von Vorhaben zur Bewältigung der Migrationsherausforderungen infolge der militärischen Aggression der Russischen Föderation können die Mitgliedstaaten in die in Zahlungsanträgen geltend gemachten Ausgaben Einheitskosten für die grundlegenden Bedürfnisse und die Unterstützung von Personen aufnehmen, denen vorübergehender Schutz oder ein anderer angemessener Schutz nach nationalem Recht gemäß dem Durchführungsbeschluss (EU) 2022/382 des Rates und der Richtlinie 2001/55/EG des Rates gewährt wurde. Diese Einheitskosten betragen 100 EUR pro voller bzw. angefangener Woche, in der sich eine Person in einem Mitgliedstaat aufhält. Die Einheitskosten können für insgesamt höchstens 26 Wochen ab dem Tag der Ankunft der Person in der Union angewandt werden.
Modifizierter Artikel 68c
Dies entspricht einer „Kopfpauschale“ von bis zu 2.600 Euro für jeden Geflüchteten aus der Ukraine. Bei gegenwärtig etwa vier Millionen ukrainischen Geflüchteten, denen temporärer Schutz innerhalb der Europäischen Union gewährt wurde, beläuft sich die über den oben genannten Mechanismus geltend machbare Gesamtsumme somit auf etwa 10 Milliarden Euro.
Anfang Oktober 2022 veröffentlichte der UNHCR ein überarbeitetes Strategiepapier unter dem Titel »Ukraine Situation: Recalibration – Regional Refugee Response Plan – March-December 2022«. In diesem hebt der UNHCR einerseits hervor, dass zwischenzeitlich viele Ukrainer*innen in die Ukraine zurückgekehrt sind. Andererseits warnt der UNCHR davor, dass die Fluchtmigration aus der Ukraine in den kommenden Monaten deutlich zunehmen könnte. Wörtlich heißt es in dem Dokument:
Es ist zu erwarten, dass aufgrund der gegenwärtigen Situation in der Ukraine weiterhin Geflüchtete in die Nachbarstaaten der Ukraine kommen werden, wobei deren Zahl im Falle einer signifikanten Eskalation steigen wird. Zusätzlich zu den konfliktbedingten Fluchtbewegungen ist damit zu rechnen, dass der Wintereinbruch weitere Vertreibungen auslösen könnte. Millionen von Ukrainern leben derzeit in beschädigten Häusern oder Gebäuden, die keinen ausreichenden Schutz vor harten Winterbedingungen bieten. Unzureichende Unterbringungsbedingungen haben insbesondere Auswirkungen auf besonders gefährdete Gruppen, wie etwa ältere Menschen, Menschen mit Behinderungen, Menschen mit chronischen Krankheiten oder Kinder. Mit Unterstützung durch humanitäre Partner führt die ukrainische Regierung Maßnahmen zu Vorbereitung auf den Winter durch. Es steht jedoch zu befürchten, dass diese nicht ausreichend sind, um den Bedarf vor Ort vollumfänglich zu decken, was zu weiteren Fluchtbewegungen innerhalb des Landes und über die Grenzen hinaus führen könnte.
Regional Response Plan (Recalibration) / eigene Übersetzung
Für den Zeitraum von März bis Dezember 2022 kalkuliert der UNHCR nunmehr einen Finanzbedarf von knapp etwa 1,8 Milliarden US-Dollar zur Finanzierung der Aktivitäten der UN-Organisationen und ihrer lokalen Partnerorganisten in den Nachbarstaaten der Ukraine (Polen: 778 Millionen US-Dollar; Moldau: 392 Millionen US-Dollar; Rumänien: ca. 226 Millionen US-Dollar; Slowakei: 87 Millionen US-Dollar; Ungarn: 75 Millionen US-Dollar; Tschechien: 43 Millionen US-Dollar; Bulgarien: 31 Millionen US-Dollar; andere Staaten: 160 Millionen US-Dollar).