Am 10. Oktober 2022 gibt die Kommissarin für Inneres, Ylva Johansson, im Zuge einer Pressekonferenz bekannt, dass die Richtlinie über den vorübergehenden Schutz bis mindestens März 2024 in Kraft bleiben wird. Gemäß der Richtlinie sind die Mitgliedstaaten verpflichtet, den Schutzberechtigten nach ihrer Aktivierung einen (mindestens) ein Jahr gültigen Aufenthaltstitel ausstellen. Dessen Gültigkeit verlängert sich automatisch um (mindestens) zweimal sechs Monate, falls kein anderslautender Beschluss des Rates ergeht. Dies wurde Johannson nun ausgeschlossen. Für eine darüber hinausgehende Verlängerung, also über März 2024 hinaus, ist ein erneuter Beschluss des Rates erforderlich, mit dem der Schutzstatus um maximal ein weiteres Jahr verlängert werden kann.
Kategorie: Slowakei
Die Humangeographin Birgit Glorius hat dem NDR ein hörenswertes Interview zu den Fluchtbewegungen aus der Ukraine und der Rückkehr ukrainischer Geflüchteter gegeben. In diesem weist Glorius auf einige interessante Aspekte hin:
- Die Statistik der Ein- und Ausreisen über die Grenzübergänge sagt nichts über die Motivation hinter der grenzüberschreitenden Mobilität aus. Mit anderen Worten: Menschen, die die Grenze zur Ukraine überqueren, müssen nicht zwangsläufig Geflüchtete oder Rückkehrer*innen sein.
- Es ist anzunehmen, dass sich im Falle einer Rückkehr oder Weiterreise tendenziell nur wenige Ukrainer*innen bei den zuständigen Behörden im Aufnahmestaat deregistrieren. Dies wiederum bedeutet, dass Zahlen hinsichtlich der aufgenommen Ukrainer*innen mit Vorsicht zu interpretieren sind und tendenziell eher zu hoch sind.
- Die Motivlagen für eine Rückkehr in die Ukraine sind vielfältig. Bisher ist es kaum möglich, fundierte Aussagen darüber zu treffen, aus welchen Gründen genau Ukrainer*innen zurückkehren.
- Es gibt jedoch Hinweise darauf, dass der Beginn des neuen Schuljahres eine wichtige Rolle für eine Rückkehrentscheidung spielt.
- Weiterhin ist davon auszugehen, dass militärische Erfolge der ukrainischen Armee die Bereitschaft zur Rückkehr ebenfalls steigern.
- Sollte es einen Appell der ukrainischen Regierung zur Rückkehr geben (was gegenwärtig allerdings nicht absehbar ist) würde dies wohl ebenfalls viele Menschen zur Rückkehr veranlassen.
- In diesem Kontext gibt Glorius auch den interessanten Hinweis, dass die ukrainische Kultusministerin von Beginn an an die Aufnahmestaaten appelliert hat, ukrainischen Kindern die Teilnahme am digitalen Homeschooling aus der Ukraine zu ermöglichen.
Die slowakische Regierung hat beschlossen, die private Aufnahme von Kriegsflüchtlingen aus der Ukraine auch weiterhin staatlich zu bezuschussen. Dies gilt zunächst bis zum 28. Februar 2023. Weiterhin wurde der Betrag leicht erhöht: Für die Aufnahme von Erwachsenen werden nunmehr zehn Euro pro Tag an Privatpersonen ausgezahlt, für Kinder unter 15 Jahren werden fünf Euro pro Tag ausbezahlt.
Im Zeitraum vom 1. März 2022 bis zum 1. August 2022 wurde in der Slowakei in 4.410 Fällen der temporäre Schutz zurückgenommen. Dies ist etwa dann der Fall, wenn der/die Schutzberechtigte einen Asylantrag stellt, schriftlich den Verzicht auf den Schutzstatus erklärt oder ein anderer Staat zwischenzeitlich Schutz gewährt hat.
Auf Basis von fast 5.000 Interviews hat der UNHCR eine aufschlussreiche Studie zum Hintergrund und den weiteren Plänen von ukrainischen Geflüchteten veröffentlicht, die sich gegenwärtig in Tschechien, Ungarn, Moldau, Polen und der Slowakei aufhalten.
Die zentralen Erkenntnisse sind:
- Insgesamt 73 Prozent der Befragten sind nicht alleine aus der Ukraine ausgereist: 18 Prozent der Befragten sind in Begleitung von mindestens einem Kleinkind (bis vier Jahre) ausgereist, 53 Prozent sind mit mindestens einem minderjährigen Kind im Alter von fünf bis 17 Jahren ausgereist. 21 Prozent der Befragten sind in Begleitung von mindestens einer Personen über 60 Jahren ausgereist, 23 Prozent sind in Begleitung von mindestens einer Personen mit besonderen Bedürfnissen ausgereist.
- Lediglich 74 Prozent der Befragten besitzen den für die Einreise in die EU eigentlich notwendigen biometrischen Reisepass.
- 52 Prozent der Befragten haben einen Universitätsabschluss, 25 Prozent haben eine Berufsausbildung. Es lässt sich insofern festhalten, dass insbesondere die gebildete Mittelschicht aus der Ukraine geflüchtet ist.
- 65 Prozent der Befragten wollen im gegenwärtigen Aufnahmestaat bleiben, nur neun Prozent planen im kommenden Monat in einen anderen Aufnahmestaat weiterzureisen.
Auf der Webseite von Pro Asyl findet sich ein ausführlicher Artikel von Pro Asyl und bordermonitoring.eu zur Situation von ukrainischen Geflüchteten in der Slowakei.
Erste Eindrücke aus der Slowakei
Auch in die Slowakei flüchten innerhalb weniger Tage zehntausende Menschen. Von der Situation an den Grenzübergängen berichtet bordermonitoring.eu.